Das „Serielle Sanieren“ soll dazu beitragen, die energetische Modernisierung des Gebäudebestands in Deutschland schneller und günstiger voranzutreiben. Wie das gelingen kann und welche Voraussetzungen erforderlich sind, davon kann Sebastian Eck, Teamleiter Innovation bei der VBW Bauen und Wohnen GmbH, aus eigener Erfahrung berichten.
Durch „Serielles Sanieren“ zum klimaneutralen Wohnungsbestand?
02.11.2022
Herr Eck, die VBW hat bereits 2021 ein Pilotprojekt zum Seriellen Sanieren durchgeführt und ist mit einem zweiten gerade in der Umsetzung. Können Sie uns zu Beginn kurz erläutern, was genau mit dem Begriff gemeint ist?
Es geht hier um eine Gebäudeverbesserung in energetischer Hinsicht. Seriell ist sie deshalb, weil ganze Fassadenmodule montagefertig zur Baustelle geliefert werden. Es handelt sich also nicht um eine Badrenovierung oder um neue Tapeten, sondern vorrangig um die Optimierung der Energieeffizienz eines Hauses. In unserem Fall ist die Sanierung Teil eines Maßnahmenpakets nach dem sogenannten Energiesprong-Ansatz. Dieser verfolgt das Ziel, Gebäude auf den Net-Zero-Stand zu bringen – dass sie also so viel Energie erzeugen, wie sie für Heizung, Warmwasser und Strom über das Jahr gerechnet benötigen. Das ist aber keine zwingende Voraussetzung. Ein besonders wichtiger Baustein ist dagegen die Vorfertigung, die erst Skaleneffekte bei den Kosten möglich macht – entweder für alle Module eines Projekts oder, noch größer gedacht, für eine ganze Serie von Projekten.
Welche Vorteile hat das Serielle Sanieren im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren?
Angesichts des hohen Modernisierungsvolumens, das viele Wohnungsunternehmen noch vor sich haben, ist die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ein wichtiger, wenn nicht sogar der wesentlichste Gesichtspunkt. Da wir aber noch in der Erprobungsphase sind, ist dieser Nutzen derzeit erst im Ansatz erkennbar. Ein weiterer Vorteil ist die anvisierte Geschwindigkeit der Montage, die eine höhere Mieterfreundlichkeit bedeutet. Wir haben schon beim ersten Pilotprojekt gesehen, dass die schnelle Montage nach der Anlieferung der Fassadenelemente sehr gut funktioniert.
Welche anderen Erfahrungen haben Sie gemacht?
Bei unserem ersten Projekt haben wir dezentrale Wärmepumpen in die einzelnen Wohnungen eingebaut. Das hat die Mieterschaft in der Bauphase zurecht als große Beeinträchtigung empfunden. Diese Erfahrungswerte konnten wir auf unser zweites, aktuell laufendes Projekt übertragen, weshalb wir gewisse Dinge nun hoffentlich besser machen. Eine besondere Rolle spielt die Vorabinformation und -kommunikation, die wir jetzt noch höher gewichten. Allerdings ist der Eingriff in die einzelnen Wohnungen diesmal auch deutlich geringer als beim ersten Mal.
Welche Reaktionen gab es auf Ihr Pilotprojekt?
In der Öffentlichkeit wurde es mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Wir sind stolz darauf, als kommunales Unternehmen die Ersten gewesen zu sein, die so eine Maßnahme im bewohnten Zustand in Deutschland durchgeführt haben. Bei den Mietern war die Reaktion naturgemäß gemischt, weil viele mit dem Vorhandenen ganz zufrieden waren und keinen großen Optimierungsbedarf sahen. Dies hat sich vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekostenentwicklung allerdings verändert. Wenn das Zuhause dann so gravierend verändert wird, ist das erstmal eine Umstellung.
Welche Gebäude eignen sich denn überhaupt für das Verfahren?
Es ist wohl kein Zufall, dass besonders viele Projekte im Ruhrgebiet umgesetzt werden. Die Bestände hier stammen in der Mehrzahl aus den 1950er, 1960er und 1970er Jahren. Diese Gebäude sind meistens simple Baukörper ohne Vorsprünge und reliefartige Gliederungselemente. Auch haben die Objekte in der Regel außenliegende Balkone und eine gute Größe, nämlich selten mehr als vier Geschosse. Das ist genau das Maß, bei dem Serielles Sanieren gut funktioniert.
Droht dabei Gleichmacherei, oder ist Individualisierung möglich?
Ich denke, dass es hier sogar mehr Vielfalt als bei konventionellen Ansätzen geben kann. Deren Standard ist das Wärmedämmverbundsystem mit Putzoberfläche und farbigem Anstrich. Beim Seriellen Sanieren gibt es außerdem Varianten im Material und im Materialmix. Wir haben beispielsweise eine Kombination aus Holz- und Putzfassade gewählt und arbeiten im zweiten Projekt sogar ausschließlich mit Holz in verschiedenen Schalungen.
Benötigen die Projektbeteiligten ein besonderes Vorwissen?
Die Genehmigungsprozesse sind aktuell ähnlich aufwändig und langwierig wie bei konventionellen Maßnahmen. Für die genehmigenden Behörden macht das Serielle Sanieren daher noch keinen großen Unterschied. Die ausführenden handwerklichen Betriebe sind entweder ohnehin auf die Vorfertigung der Module spezialisiert oder sie liefern Leistungen herkömmlicher Art zu – etwa die Wiederherstellung der Außenanlagen oder die Renovierung von Eingängen und Treppenhäusern. Das Wohnungsunternehmen selbst sollte schon über Erfahrungen in der Bestandssanierung verfügen. Außerdem ist ein gewisses Maß an Digitalisierung erforderlich. Denn die digitale, millimetergenaue Vermessung aller Fassaden ist als erster Schritt der Planungsphase vorausgesetzt. Nicht zuletzt gibt es auch Unterschiede in der Förderung, da zumindest die Pilotprojekte neben der nationalen auch eine internationale Förderung durch die Europäische Union erhalten können.
Glauben Sie, dass sich das Serielle Sanieren durchsetzen wird?
Wenn es gelingt, über erhöhte Kapazitäten günstigere Preise im Vergleich zur konventionellen Modernisierung anzubieten, dann wird das Thema wachsen – sonst nicht. Solche Projekte müssen gleichzeitig Renditeansprüche und ein bezahlbares Warmmietenniveau erfüllen. Das Interesse der Wohnungsunternehmen ist auf jeden Fall da. Deren steigende Nachfrage wäre Grundvoraussetzung dafür, dass der erwünschte Skalierungseffekt insgesamt in Gang kommt. Die derzeitigen hohen Baukosten können zusätzlich als Treiber wirken, weil sie die Bestandssanierung als sinnvolles Alternativszenario zu einem möglicherweise geplanten Neubau erscheinen lassen. Diesen Effekt stellen wir bereits fest.
Haben Sie noch einen Tipp für andere Interessenten?
Hilfreich ist das Netzwerk aus Anbietern und Wohnungsunternehmen, das sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene entstanden ist. Da findet viel Austausch statt – auch über das Thema Serielles Sanieren hinaus. Wir haben beispielsweise im gleichen Zeitraum unsere Klimastrategie entwickelt und die Vernetzung mit anderen genutzt, die sich mit klimaneutralem Wohnen befassen.
Quelle: Sebastian Eck (VBW Bauen und Wohnen GmbH), DZ HYP
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