Neue Konzepte für urbane Erdgeschosse

25.06.2021

Erdgeschosse sind die Visitenkarte und wirtschaftliche Treiber eines Quartiers. Klassischerweise beherbergen sie Einzelhandelsgeschäfte und Orte des sozialen Lebens wie zum Beispiel Kindertagesstätten. Darum haben sie insbesondere in Neubauquartieren einen hohen Stellenwert. Ohne lebendige, offene und vielfältige Erdgeschosse können keine erfolgreichen Neubauquartiere entwickelt werden.

Wie sieht die derzeitige Situation in Deutschland aus? Viele inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte, zunehmend aber auch Filialisten, müssen angesichts des wachsenden Onlinehandels ihre Läden schließen. Ebenerdige Räumlichkeiten in Innenstädten und Quartieren sind durch teilweisen Leerstand geprägt, was sich negativ auf das Innenstadtleben und die Stadtquartiere auswirkt. Die Corona-Pandemie beschleunigte diese Entwicklung. Doch seit kurzem ist eine Trendwende erkennbar. Das Onlineportal Immobilienscout24 stellt ein wieder erwachtes Interesse an Ladenflächen fest. Großflächen, wie sie von Lebensmittel-, Bau- und Drogeriemärkten gern angemietet werden, gelten als die Gewinner der vergangenen Monate. Welche Auswirkungen das künftig auf die Parterregestaltung haben wird, bleibt spannend.


 

Starke Preissteigerung und fehlende Flexibilität

Ursächlich für den aktuell immer noch sichtbaren Leerstand ist nicht nur die sinkende Kauffrequenz. Auch steigende Grundstücks- und Baukosten machten die Erdgeschossnutzung immer unattraktiver. Wie hängt das alles zusammen? Dafür gibt es mehrere Erklärungen. Nach einer Studie von bulwiengesa sind die Grundstückskosten in den sehr guten Lagen der A-Städte schon vor der Corona-Pandemie teils um 115 Prozent gestiegen. Auch in mittleren und einfachen Lagen fällt die Zunahme hoch aus. Hinzu kommen die steigenden Baukosten. Zwischen 2009 und 2019 verteuerten sie sich an den sieben Top-Standorten im Durchschnitt um rund 20 Prozent. Die Ladenmieten konnten bislang bei der regelrechten Kostenexplosion nicht mithalten. Sie sind in Stadtteillagen der sieben Metropolen zwischen 2009 und 2018 lediglich um etwa 12 Prozent gestiegen.

Doch das ändert sich derzeit. Das Portal Immoscout24 beobachtet, dass sich die Angebotsmieten allein in vergangenen Jahr um 6,4 Prozent verteuert haben. Die Mieten für Großflächen, die mehr als 500 Quadratmeter umfassen, zogen sogar um 15,1 Prozent an. Der zunehmende Online-Handel bringt nämlich einen weiteren Effekt mit sich: Es werden zunehmend Lager- und Logistikflächen gesucht.


 

Innovative Lösungen ermöglichen eine stabile Stadt(teil)kultur

Viele öffentliche Planungsämter beharren jedoch häufig auf starren Vorgaben bezüglich der konkreten Erdgeschossnutzungen. Hinzu kommt, dass diese sich oft nicht oder nur schwer mit den am Markt realisierbaren Möglichkeiten und den Gegebenheiten vor Ort vereinbaren lassen. Projektentwickler verlangen deshalb anpassungsfähige bauliche Rahmenbedingungen. Nutzungsflexibilität und Drittverwendungsmöglichkeiten würden es erlauben, auf einen sich verändernden Mietermarkt zu reagieren und zukunftsgerichtet aufgestellt zu sein. Die Fachpartner der bulwiengesa-Studie „Erdgeschosse 4.0“ fordern beispielsweise weniger überregionale und globale Einzelhandelsketten in den Erdgeschossen. Durch lokale Mieter entstünden wesentlich resilientere Strukturen in den Quartieren.

Statt hohen Mieterträgen könnten die Erdgeschosszonen auch für imagefördernde und bewohnerfreundliche Dienstleistungen genutzt werden, die dem gesamten Quartier zugutekommen. Ein Beispiel dafür ist ein Service Point, der Pakete entgegennimmt und haushaltsnahe Dienstleistungen für die Bewohner des Quartiers bucht. Eine soziale Nutzung belegt zwar eine Erdgeschossfläche, die ansonsten auch vermietet werden könnte. Sie schafft aber einen Mehrwert für das Quartier. Diese Aufwertung kann sich in höheren Mieten für die oberen Geschosse niederschlagen. Auch durch das Hinzuziehen gemeinsam genutzter Flächen, Infrastruktur und Einrichtungen kann der Mietertrag der Kernfläche erhöht werden. Eine solch direkte oder indirekte Quersubventionierung trägt dazu bei, den finanziellen Druck auf den Parterrebereich zu verringern.  


 

Öffentliches Interesse am gemeinsamen Nutzungsmanagement

All diese Überlegungen zeigen, dass die Erdgeschosse wieder ins Zentrum der öffentlichen Debatte um die stadträumliche Entwicklung rücken müssen. Lebendige Zonen benötigen entweder finanziellen Spielraum oder ein besonderes Konzept, das hohe Mieterträge ermöglicht. Ganzheitliche Lösungsansätze sind allerdings nur durch eine Symbiose von Immobilienwirtschaft, lokalen Wirtschaftsakteuren und Stadtplanung zu bewältigen – möglicherweise auf Basis einer öffentlichen-privaten Partnerschaft (PPP). Ein gemeinsames Erdgeschossmanagement könnte dabei eine zentrale Rolle spielen. Letztendlich muss sich aber auch das wirtschaftlich tragen.

Ganz gleich ob der gesellschaftliche Wert für ein lebendiges Quartier im Vordergrund steht oder die einstige Rechnung Erdgeschoss = Handel und Cashflow-Garant wiederbelebt wird, eines ist klar: Jedes wertschöpfende Konzept ist besser als die ebenerdige Nutzungszone verkommen zu lassen.

 

 


Quelle: Kai Hansen, DZ HYP

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