„Wir haben eine Menge richtig gemacht.“

25.01.2023

Wie stark belastet der anhaltende Krieg Russlands gegen die Ukraine die Wirtschaft im aktuellen Jahr? Welche Werte erreichen Zinsen und Inflation? Wie reagieren die Immobilienmärkte auf die veränderten Rahmenbedingungen? Der Chefvolkswirt der DZ BANK, Dr. Michael Holstein, erläutert im Interview seine Erwartungen an 2023.


 

Herr Dr. Holstein, kommt die Rezession oder kommt sie nicht?

Nach allem, was wir jetzt sehen, sind die Risiken für eine Rezession nicht mehr so markant wie noch im vergangenen Spätherbst. Die Inflation hat in Deutschland ihre höchsten Werte überwunden und auch die Energiepreise haben wieder nachgegeben. Coronabedingte Lieferkettenprobleme lösen sich allmählich auf, allerdings bleibt besonders der Mangel an Fachkräften gravierend. Viele der Themen, die uns 2022 beschäftigt haben, haben wir ins aktuelle Jahr mitgenommen. Es wird daher aus unserer Sicht erneut schwierig werden.


 

Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der Inflation?

Die Inflation hat in Deutschland nach unserer Einschätzung ihren vorläufigen Höchstwert gesehen. Das zeichnete sich schon zum Ende des vergangenen Jahres ab und hat sich in den ersten Januarwochen auch so bestätigt. Die Energiepreise sind gesunken und befinden sich aktuell sogar unter dem Niveau, das sie vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten. Die Inflationstreiber sind jedoch nur zum Teil auf dem Rückzug und das lässt uns auch langfristig Inflationsraten oberhalb der von der EZB angestrebten Zielmarke von 2 Prozent erwarten.


 

2022 war für Aktienanleger kein gutes Jahr. Zeigt die positive Entwicklung seit dem Jahresende auch hier eine Trendumkehr an??

Ich denke, dass die Erholung nach dem Jahreswechsel zu optimistisch war. Der DAX hat im Januar einen so guten Start wie lange nicht gehabt, aber das zeigt ein trügerisches Bild von der aktuellen Situation. Ich gehe davon aus, dass wir in Deutschland erst auf mittlere Sicht mit einem neuen Schwung auf den Aktienmärkten rechnen können. Der DAX wird in diesem Jahr volatil bleiben und sich zum Ende des zweiten Halbjahres wieder auf die Marke von 15.000 Punkten zu bewegen. Da ist also Raum für Enttäuschung, jedenfalls werden die Bäume auch in diesem Jahr nicht in den Himmel wachsen.


 

Was machen die Zinsen?

Wir gehen davon aus, dass sowohl die Fed als auch die EZB ihre Zinserhöhungsstrategie fortsetzen werden. Senkungserwartungen dürften zum jetzigen Zeitpunkt verfrüht sein, auch wenn die inverse Zinsstruktur nach ökonomischer Lehre genau darauf hinweist. Möglicherweise gibt es in den USA noch zwei weitere Steigerungen um je 25 Basispunkte und dann eine Pause, aber eher keinen Schritt abwärts im laufenden Jahr. Für den Euro-Raum erwarten wir ebenfalls eine weitere Straffung der Zinspolitik bis zu einem Leitzins bei 3,75 Prozent.


 

Der Immobilienmarkt hat sich während der Corona-Pandemie gut gehalten, doch die Folgen des Ukraine-Kriegs machen ihm nun doch zu schaffen. Setzt sich das 2023 fort?

Das muss man differenziert betrachten. Wir haben verschiedene Faktoren, die den Neubau und die Modernisierung von Immobilien belasten: Hohe Baukosten und der Zinsanstieg gehören dazu, machen die Liste aber nicht komplett. Diese Störungen betreffen alle Segmente des Marktes. Einige Branchen leiden zudem selbst unter den Folgen des Ukraine-Kriegs. Insbesondere der Einzelhandel hat mit Inflation und gesunkener Kauflaune bei den Konsumenten zu kämpfen. Der Wohnungsmarkt leidet unter hohen Zinsen und einer Trendumkehr bei der Preisentwicklung insbesondere für Bestandsobjekte. Büro und vor allem Logistik kommen dagegen ganz gut zurecht. Insgesamt bleiben Investoren – sofern sie es sich leisten können – wohl auch im aktuellen Jahr zurückhaltend, bis deutlicher wird, wohin die Reise geht und wo auskömmliche Renditen erzielt werden können.


 

Welche Auswirkungen hätte ein Friedensschluss in der Ukraine?

Es würde zunächst einmal eine humanitäre Krise beenden und viele Menschen aus unverschuldeter Not, viele Familien aus der Angst um ihre Angehörigen und viele Flüchtlinge von der Heimatlosigkeit befreien. Deshalb ist ein baldiges Ende des Kriegs in jedem Fall zu wünschen. Wenn Sie aber nach der wirtschaftlichen Erholungswirkung fragen, so schätze ich diese nicht allzu groß ein. Die Energiepreise sind bereits gesunken, die Sanktionen gegen Russland würden sicher nicht sofort aufgehoben und die Ukraine wird über Jahre sehr viel Unterstützung benötigen. Andere Themen wie die wirtschaftliche Situation Chinas oder dessen geopolitisches Drohpotenzial blieben von einem Ende des Krieges ohnehin unberührt. Ich würde also keine allzu hohen Erwartungen an die konjunkturellen Effekte haben, auch wenn ein Frieden in der Ukraine natürlich eine tolle Nachricht für uns alle wäre.


 

Und wo bleibt das Positive, Herr Dr. Holstein?

Wir haben meiner Meinung nach eine Menge richtig gemacht: Die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen ist deutlich gesunken, die Industrieproduktion nicht zusammengebrochen und auch nicht ins Ausland verlagert worden. Deutschland bleibt eine innovative Volkswirtschaft und ist stark in vielen Zukunftsindustrien. Das macht Mut für die kommenden Jahre.

 


Quelle: Dr. Michael Holstein, DZ HYP

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