Viel Lärm um den Lärm

29.03.2018

Ein irisches Sprichwort sagt: „Die Stille ist es wert, erkauft zu werden.“. Dies belegen viele Studien, die sich mit gesundheitsgefährdenden Aspekten des Straßen-, Schienen- oder Fluglärms auseinandergesetzt haben. Insbesondere in der nächtlichen Ruhephase reagiert der menschlichen Organismus äußerst empfindlich auf Lärm und man kann sich entgegen der landläufigen Meinung auch nicht an ihn gewöhnen. So fand man heraus, dass Personen in lauten Wohngebieten tendenziell häufiger wegen Bluthochdruck in ärztlicher Behandlung waren als diejenigen in weniger lärmbelasteten Gebieten. Ferner haben Männer in lauten Wohnungen ein um 20 bis 30 Prozent höheres Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, als Männer in ruhigeren Gebieten. Darüber hinaus lässt sich ein starker statistischer Zusammenhang zwischen Lärm und Depressionen ermitteln.

Dabei ist Lärm nicht gleich Lärm. Bei vorbeifahrenden Zügen steigt z. B. die Lautstärke wesentlich schneller an als bei einem Flugzeug. Befahrene Straßen erzeugen hingegen ein ständiges „Rauschen“. Bemerkenswerterweise stieg bei sehr hohen Dauerschallpegeln zwischen 70 und 80 Dezibel das Belästigungsempfinden durch Straßen- und Schienenfahrzeuge nur mäßig an. Dagegen wird Fluglärm bereits mit mehr als 55 Dezibel als äußerst belastend empfunden. Ferner spielte die Kombination der Lärmquellen, sogenannter Kombinationslärm, eine wichtige Rolle. Man kann demnach nicht einfach die Lärmquellen addieren. Wird ein Kombinationslärm durch Fluglärm ergänzt, wird er insgesamt als deutlich störender empfunden, auch wenn der Lärmpegel konstant blieb.

Lässt sich Lärm nun bepreisen, z. B. durch eine möglicherweise preisdämpfende Wirkung bei Immobilien? Die Ökonomen Wolfgang Maenning und Waldemar Beimer haben genau dies in einer Studie getan. Sie analysierten die Preise von 27.000 Einfamilienhäusern in Berlin zwischen den Jahren 1990 und 2012. Die Forscher zogen zur Beurteilung der Standortqualität die Distanz zum Stadtzentrum, zu Grünflächen, zu Spielplätzen oder zu U-Bahn Stationen heran. Des Weiteren berücksichtigten sie die sozio-ökonomische Struktur, z. B. die Arbeitslosenquoten, den Anteil der einkommensstarken Bevölkerung, den Ausländeranteil, die Bevölkerungsdichte und die Altersstruktur der Bevölkerung in ihrer Analyse. Da die Preisdaten über einen längeren Zeitraum betrachtet werden, unterliegen sie konjunkturellen Schwankungen. Dieser Effekt wurde jedoch, neben der Objektqualität (Zustand, Größe, Alter), berücksichtigt.

Die Lärmbelastung wurde anhand eines Indikators in Lden gemessen. Nachtlärm erhält hierbei z. B. einen Zuschlag von 10 Dezibel, um der Sensibilität der Menschen für nächtliche Ruhestörung Rechnung zu tragen. Abbildung 1 verdeutlich, wie hoch der Straßenverkehrs- und Fluglärm in Berlin ausgeprägt ist. Im Nordosten stechen vor allem die Autobahnen 114 und 10 und im Südwesten die Autobahn 115 hervor. Zudem wird die hohe Lärmbelästigung durch den Flughafen Tegel und den damit einhergehenden Straßenverkehr deutlich. Somit ist eine Zuordnung einzelner Immobilien zu lärmbelasteten Gebieten ohne weiteres möglich.

Abbildung 1: Straßenverkehrs- und Fluglärm in Berlin



Unter Berücksichtigung der oben genannten Größen betrachteten die Wissenschaftler die Auswirkungen unterschiedlicher Lärmquellen auf die Immobilienpreise. Bemerkenswerterweise fanden die Ökonomen ähnliche Wirkungszusammenhänge bei den Immobilienpreisen wie die Mediziner beim Wohlbefinden ihrer Patienten. Demnach geht Fluglärm mit weitaus größeren Preisabschlägen einher als Straßen- und Schienenlärm. Steigt der Fluglärm z. B. um 1 Lden (vereinfacht Dezibel) über den erträglichen Wert von 55 Lden, so ist der Preis für ein Einfamilienhaus bei vergleichbaren anderen Standort- und Objektfaktoren um 3.000 EUR niedriger. Befindet sich das Haus in einer Flugschneise und liegt die Lärmbelastung z. B. bei 75 Lden, so ist das Haus im Schnitt um rund 60.000 EUR günstiger
(20 x 3.000 EUR). Bei Straßen- bzw. Schienenlärm fällt der Abschlag mit 1.500 EUR je Lden nur halb so hoch aus.


Lärm spielt also nicht nur aus gesundheitlicher, sondern auch aus ökonomischer Sicht eine wichtige Rolle. Dabei können lärmauslösende Einflüsse durchaus positive Effekte auf Immobilienpreise ausüben, etwa wenn durch den Ausbau der Infrastruktur die Fahrzeit zum Stadtzentrum sinkt. Jedoch geht damit möglicherweise auch eine höhere Lärmbelastung inkl. dämpfender Preiseffekte einher. Darunter kann das Immobilienvermögen leiden. Der Ausbau eines Flughafens wird daher von Anwohnern auch kontrovers diskutiert – aus gesundheitlichen und ökonomischen Gründen. Zukünftig dürfte der Ausbau der Elektromobilität mit steigenden Immobilienpreisen verbunden sein, sofern die Autos wesentlich weniger Lärm erzeugen als herkömmliche PKWs. Ein weiterer Beleg dafür, wie der technische Fortschritt den Wert von Immobilien verändern kann.


Quelle: Dr. Norbert Hiller/WL BANK