Wer hat, dem wird gegeben?
Es kommt auf den Standort an

13.12.2017

Die Immobilienpreissteigerungen der vergangenen Jahre haben zu einem erheblichen Vermögenszuwachs bei Wohneigentümern geführt. Betrachtet man die durchschnittlichen Kaufpreise für Standardeinfamilienhäuser, so können sich Immobilienbesitzer des Münchener Landkreises am meisten freuen. Hier haben sich die Werte von 600.000 EUR im Jahr 2010, auf 1.225.000 EUR im Jahr 2016 mehr als verdoppelt. Auch in Rostock oder Ingolstadt bewegen sich die Wachstumsraten jenseits von +70 Prozent. Doch nicht überall hat sich der Immobilienmarkt aus Sicht der Eigentümer so erfreulich entwickelt. Im Landkreis Kusel sind die Preise um 4 Prozent, im Landkreis St. Wendel gar um 10 Prozent gesunken. Nicht alle profitieren folglich vom aktuellen Immobilienboom, da die regionale Immobilienpreisentwicklung unterschiedlich ist. Woran liegt das?

 

Ursächlich hierfür ist der hohe Bevölkerungsanstieg in den Ballungsgebieten. Dieser wird durch den technischen Fortschritt, durch die hohe Zuwanderung aus dem Ausland sowie durch die in den vergangenen Jahren örtliche ausgebauten Annehmlichkeiten gespeist. Zwar sorgt die aktuelle Geldpolitik für einen breiten nationalen Immobilienpreisanstieg. Die Preise schlagen jedoch stärker nach oben in Regionen aus, wo Wohnraum bereits knapp ist. In Gebieten mit einem Bevölkerungsrückgang dämpft die Niedrigzinspolitik lediglich negative Preisentwicklungen. Denn auch in diesen Regionen nutzen Wohneigentümer bzw. Investoren das günstige Zinsniveau für den Neubau und die Modernisierung ihrer Objekte und sorgen für ein erhöhte Nachfrage. In der Summe nimmt die Diskrepanz zwischen boomenden städtischen und schrumpfenden ländlichen Regionen zu.

 

Dienen die eigenen vier Wände der Altersvorsorge, so kann es hierbei zu erheblichen Unterschieden bei der Vermögensentwicklung kommen. Für ein Standardeinfamilienhaus bezahlte man im Jahr 2004 z. B. im Burgenlandkreis und im Ilm-Kreis jeweils 150.000 EUR. Hätte man das Haus im Jahr 2016 verkauft, so hätte man im erstgenannten Kreis mit 160.000 EUR (+7%) weitaus weniger als im letztgenannten Kreis mit 220.000 EUR (+47%) erhalten. Innerhalb von nur 12 Jahren haben die unterschiedlichen regionalen Entwicklungsstränge zu entsprechenden Vermögenszuwächsen geführt. Hinzu kommt, dass sich die Wohneigentumsquoten regional unterscheiden, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Wohneigentumsquote (2011) in %


 

Insbesondere Ballungsgebiete weisen eine geringe und ländliche Gebiete eine hohe Wohneigentumsquote auf. Anhand von Abbildung 2 lässt sich ein starker Preisanstieg in Regionen bzw. Ballungsgebieten mit einer geringen Wohneigentumsquote feststellen. Allein in den ersten beiden Kategorien (die Wohneigentumsquote ist dort kleiner als 38%) lebt fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Darunter leben rund 42% aller Mieter und nur rund 18% der selbstnutzenden Eigentümer. Die Preissteigerungen haben also letztlich in den Ballungsgebieten dazu geführt, dass die dort zahlreich lebenden Mieter steigende Wohnkosten verkraften müssen, Wohneigentum zunehmend unerschwinglich wird und (wenige) Wohneigentümer und Investoren von Vermögenszuwächsen profitieren.

 

Abbildung 2: Preissteigerungen von Eigentumswohnungen (2010-2016) und Wohneigentumsquote (2011) in %

 


 

Quelle: bulwiengesa, Zensus 2011

 

Die steigenden Preise locken international Vermögende (Selbstnutzer) an. Sie weiten u. a. ihren Wohnkonsum aus und halten Wohnungen in gefragten und namhaften deutschen Ballungszentren. Unter Umständen werden diese nur zweitweise selbst in Anspruch genommen, wodurch regelrechte „Geisterstraßen“ entstehen, wie es z. B. in London zu beobachten ist. Bestimmte in der Vergangenheit noch die lokale Zahlungsbereitschaft den regionalen Immobilienmarkt, so treiben heute globale Zahlungsbereitschaften die Immobilienpreise vor der eigenen Haustür. Die Wohnraumnachfrage der einheimischen Bevölkerung kann daher durch in- und ausländische Vermögende eingeschränkt werden, da Normalverdiener kaum mit deren exorbitanten Einkommen mithalten können. Dies stellt die Sozialpolitik vor enorme Herausforderungen.

 

Aber welche Vorteile gehen nun mit der Verteuerung der eigenen vier Wände einher? Ist man Selbstnutzer und verdoppelt sich der Wert des eigenen Hauses bzw. der eigenen Wohnung, so hat man dadurch ja nicht einen unmittelbaren Nutzen erzielt. An der Einkommens- und Ausgabensituation ändert sich erstmal nichts. Erst durch den Verkauf der Immobilie kann man einen Gewinn erzielen, doch benötigt man dann auch eine neue Bleibe. Wenn die Preise allerdings massiv gestiegen sind, so wird man für ein ähnliches Objekt in ähnlicher Lage ebenfalls einen hohen Preis zahlen müssen. Will man einen hohen Gewinn erzielen, so muss man sich folglich mit einem qualitativ schlechteren Objekt und/oder einer schlechteren Lage zufrieden geben. Allerdings geht die Umzugsbereitschaft mit steigendem Alter zurück, weshalb es häufig (oder so lang wie nur möglich) bei einer Mietersparnis, denn einer Gewinnerzielung bleibt. Folgt man dem Investitionsgedanken, so lohnt sich der Erwerb von Wohneigentum insbesondere in Regionen, welche in Zukunft attraktiv bleiben. Prognosen können allerdings nur sehr begrenzte Aussagen treffen. Hinsichtlich der Altersvorsorge ist eine generelle Forderung nach mehr Wohneigentum daher nicht sinnvoll.

 

Setzt sich der vorab dargestellte Trend jedoch fort, so werden voraussichtlich verhältnismäßig wenige Personen, die heute schon privilegiert sind und in den begehrten Wohngegenden Wohneigentum besitzen, von den Preissteigerungen profitieren. Und selbst wenn sie das Objekt nicht veräußern, so werden aber spätestens die Erben die Gewinne einstreichen können. Die Schere zwischen Arm und Reich wird somit immer weiter auseinander klaffen und die Gentrifizierung inklusive der damit verbundenen sozialen Spannungen wird weiter zunehmen.