Die 15-Minuten-Stadt – ein Zukunftsmodell?

21.07.2021

Die Lockerung der pandemiebedingten Einschränkungen lässt die Menschen allmählich in die City zurückkehren: Viele arbeiten wieder in ihren Büros, gehen einkaufen und genießen die lang vermissten kulturellen oder gastronomischen Angebote ihrer Stadt. Doch mit dem neuen alten Leben füllen sich auch die Straßen erneut. Wie vor Ausbruch der Corona-Pandemie werden wir bald wieder viel zu viel Zeit auf dem Weg zu einem Ort verbringen statt schon dort zu sein. Aktuell pendelt mehr als ein Drittel aller Beschäftigten in Deutschland durchschnittlich 20 Minuten zur Arbeit – zweimal täglich. Nur ein Fünftel von ihnen schafft es in kürzerer Zeit zum Arbeitsplatz, die meisten benötigen erheblich länger.


 

Neues Modell mobilisiert die Stadtplaner

Viele Städte haben bereits vor der Corona-Pandemie über Lösungen dieses Problems nachgedacht. Ein aktuell besonders beliebtes Modell bietet die sogenannte „15-Minuten-Stadt“, die Carlos Monero 2016 als Professor an der Pariser Sorbonne entwickelt hat. Städteplaner in Paris, Tel Aviv, Madrid, Melbourne und vielen anderen Orten der Welt versuchen seither, in ihren Kommunen die Entfernungen zu den Zielen des täglichen Lebens auf maximal eine Viertelstunde zu senken. Lebensmittelgeschäfte und Ärzte, Erholungsräume und Fitnessstudio, Arbeitsplatz und Schulen, Dienstleister und Kultur – all das soll in einem Radius von 3 bis 4 km mit dem Rad oder 1 bis 1,5 km zu Fuß vom jeweiligen Wohnort aus erreichbar sein.

Aktuell ist das für die meisten Menschen eine Illusion – insbesondere, was den Arbeitsplatz betrifft. Soll sich das ändern, dann müssen Städte als ein Nebeneinander von multifunktionalen, beinahe autarken Stadtteilen angelegt sein. Mancher Kiez-Bewohner erlebt sein Umfeld bereits heute als ‚Dorf in der Stadt‘. Doch viele historisch gewachsene Städte sind noch immer auf ein Zentrum ausgerichtet. Versorgungseinrichtungen des Alltags konzentrieren sich in Bürovierteln, Fußgängerzonen und Flaniermeilen. In manchen Randlagen deutscher Großstädte sind die Wege zum nächsten Kino oder Krankenhaus genauso lang wie im ländlichen Raum.


 

Rad oder Bahn statt Auto

Den Kern der angestrebten Veränderungen in der „15-Minuten-Stadt“ bildet die Umstellung auf umweltverträgliche Verkehrs- und Transportmittel in der Stadt: Fahrräder, Busse und Bahnen werden aufgewertet, während sich der private Gebrauch des Autos möglichst weit reduziert. Diese Transformation hat, wo sie konsequent umgesetzt wird, weitreichende Folgen für das Stadtbild. Straßen verschwinden oder öffnen sich Fußgängern und Radfahrern, Parkplätze verwandeln sich in Grünanlagen oder Baugrundstücke. Ganz nebenbei eröffnen sie damit ein großes Flächenpotenzial: In Berlin etwa nehmen die Standplätze für PKW mehr als 17 Quadratkilometer ein – das entspricht ungefähr 220-mal dem Alexanderplatz.

Auch das Wohnen wird in der „15-Minuten-Stadt“ neu gedacht: Statt streng getrennter Wohn- und Gewerbegebiete entstehen einander ergänzende Einheiten unter der Vorgabe einer gemischten Nutzung. Nicht nur ganze Quartiere, sondern auch einzelne Gebäude brauchen dafür neue Konzepte. Das reine Mehrfamilienhaus oder das Ensemble aus diversen Wohneinheiten mit maximal einer KiTa und einem Lebensmittelgeschäft werden dann eher die Ausnahme bilden.


 

Positive Folgen für Klima und Gesundheit

Dass die 15-Minuten-Stadt erhebliche Effekte in Sachen Klimaschutz hat, liegt auf der Hand: Kürzere Wege, weniger Autos und mehr Grünflächen entlasten die Umwelt und verbessern die Lebensqualität der Stadtbewohner. Zudem senkt die Abschaffung des privaten PKW die finanzielle Belastung der Haushalte. Kommunen können viel Geld sparen, wenn sie keine Parkplätze mehr unterhalten müssten und die Flächen als Baugrund nutzen könnten. Allerdings würde sich der Stadtumbau auch auf das Immobilienpreisgefüge auswirken – in beide Richtungen. Wo Straßen zu Parks werden oder Gewerbeeinheiten in die Nachbarschaft rücken, verschieben sich Werte. Nicht alle Hauseigentümer werden das als Veränderung zum Guten erleben.

Kritische Fragen müssen insbesondere zu sozialen Aspekten gestellt werden: Wird es weiterhin Stadtteile mit niedrigeren Mieten für einkommensschwächere Bevölkerungsgruppen geben? Könne sich diese das Leben in einer „15-Minuten-Stadt“ überhaupt noch leisten? Führt der angedachte Umbau zu einer Auflösung sozialer Brennpunkte oder werden sie weiter an den Rand der Städte gedrängt? Wollen Gewerbetreibende, Kunstschaffende oder Angestellte überhaupt auseinandergezogen und auf verschiedene Stadtteile aufgeteilt werden? Welche finanziellen Folgen haben die Veränderungen für den ÖPNV?


 

Eine Großstadt aus vielen „Dörfern“?

In gewisser Weise hebelt das Modell die grundliegende Idee von einer Großstadt aus, deren Bürger von der reinen Quantität vergleichbarer Angebote profitieren. Auch möchten vielleicht nicht alle Menschen wie in einer Dorfgemeinschaft leben, sondern sind für ein gewisses Maß an schützender Anonymität in ihrer Umgebung durchaus dankbar. Andere schätzen gerade das Besondere, das sich nur in ihrer Stadt findet und auch weite Anfahrtswege lohnt. Dafür nehmen sie vermeintliche Nachteile mehr oder weniger gern in Kauf.

Es bleibt daher abzuwarten, ob sich das Modell der 15-Minuten-Stadt als ganzheitlich realisierbar erweist. Immerhin würde es, selbst wenn sich seine Umsetzung in der Verkehrsberuhigung erschöpft, die Lebensqualität in vielen Städten verbessern.

 


Quelle: Markus Krampe, DZ HYP

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